500 bis 800 Wörter … just für umsonst
Manchmal flattern einem Jobangebote ins Mailpostfach, da staunt man einfach nur. Die Gründe fürs Staunen sind durchaus unterschiedlich. Da wird zum Beispiel ein Job als „Redakteur/in“ ausgeschrieben und das mit einem durchaus modernen Profil.
Käpitän Haddock sagt, was Sache ist |
Besucher sollen mit „wichtigen Meldungen“ zu Themen aus der Hipster-Welt versorgt werden, aber nicht mit Werbesprüchen und hinterlistiger SEO-Optimierung, sondern auf durchaus hohem journalistischen Niveau:
Das Arbeitsspektrum umfasst neben aktueller Berichterstattung je nach Vorlieben auch Kommentare, Kolumnen und Produkt- und App-Reviews. ˟
Also alles, was sich ein Journalist wünschen kann: Berichterstattung, Einordnung, Meinung – viel besser kann es kaum kommen. Da hüpft das Herz. Aber es kommt noch besser:
Du bekommst die Möglichkeit die neuesten Smartphones/Tablets als ersten zu testen ˟
Das lese ich als dezenten Hinweis darauf, dass man sich als Redakteur/in auch um die unangenehmeren Pflichten des Gewerbes kümmern muss: Korrektur lesen strengt echt an, Kommata sollte man nicht nur ab und zu und aufs Geratewohl setzen, und Grammatik sollte – so stands in einem anderen Angebot – kein Fremdwort für Dich sein.
Sowas kann ja mal vorkommen. Man hält ihnen zugute, dass sie sich ganz offenbar verbessern wollen und jemanden suchen. Jemanden, der diese Drecksarbeit macht und die Sprachschlampereien geradebiegt. Wir Alten habens ja noch gelernt und für irgendwas müssen wir alten Säcke ja auch noch taugen.
Richtig vermutet, im Anforderungsprofil stehts dann tatsächlich, sogar gleich zweimal:
Du beherrschst die deutsche Sprache in Wort & Schrift
Du verfügst über einem sicheren Umgang mit der deutschen Sprache in Wort & Schrift ˟
Zusammenfassend: ein anspruchsvoller Job als Redakteur/in in einem anspruchsvollen redaktionellen Umfeld, das sich immer mit den „neuesten“ (Grammatiktipp: Absolutadjektiv) Gadgets beschäftigt und der deshalb sicherlich sehr anstrengend ist. So ein Job muss doch dem Anbieter etwas wert sein. Und deshalb lohnt der Blick auf die Gehaltsvorstellungen des Anbieters, man ist ja vieles gewöhnt. Da gibt es welche, die meinen, für einen Journalisten sei der Mindestlohn gerade genug. Das wäre nichts Neues, aber weit gefehlt: Dieser Arbeitgeber meint, dass man völlig umsonst für ihn arbeiten soll:
Die Mitarbeit erfolgt zunächst unentgeltlich, jedoch bekommst Du für Dein Engagement neben der Aufmerksamkeit der [——-] Leser ab und an einige Goodies sowie reichhaltige Erfahrungen. Bei Bedarf können wir Dir auch gerne ein Praktikum Zeugnis anfertigen. ˟
Und an dieser Stelle wölbt sich der Fußnagel der Grammatik wiederum schmerzhaft nach oben. Aber man darf anerkennen: Das ist innovativ. Ich soll also in den Discounter gehen und die/das Nutella für auf die Butter aufm Brot von der „Aufmerksamkeit der Leser“ kaufen. Dass ich selber nicht schon viel früher auf diese Idee gekommen bin.
Es ist extrem schmerzhaft zu lesen, was für ein Menschenbild diese Firma zu haben scheint: Den Arsch aufreißen in einem stressigen Umfeld, kein Geld für seine Leistung zu bekommen – ab und zu mal ein paar „Goodies“. Das ist dann wahrscheinlich genau der technische Unfug, den man gerade nach Strich und Faden verrissen hat und mit dem außer der Sondermülldeponie kein Mensch was anfangen kann. Für eine solche Unternehmenskultur, die mit „Ausbeutung“ oder „Menschenschinderei“ nur unzureichend zu umschreiben ist, sollen hochqualifizierte Journalisten – denn dieses Wort fällt im Stellenangebot auch – auch nur einen Finger krumm machen?
Neben einem kurzen Motivationsschreiben und Lebenslauf bitten wir euch auch um, einen Probeartikel zu einem Thema eurer Wahl (ca. 500 bis 800 Wörter) zu verfassen. ˟
Ja, ich mache mir die Finger krumm. Das ist mein Probeartikel und der ist doch für eine Bewerbung ganz in Ordnung, oder? Wann soll ich anfangen?
˟: Rechtschreibung, Kommasetzung, Kommanichtsetzung und grammatische Absonderlichkeiten aller Art wie im Original